Die Borderline- Persönlichkeitsstörung.

Hier werden einige Informationen zusammengetragen, die ausführlicher in der angegebenen Literatur nachzulesen sind.

Die BPS gehört, nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10), zu den Emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen. Diese sind gekennzeichnet durch die „(…) Tendenz, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren, verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung. Es besteht eine Neigung zu emotionalen Ausbrüchen und eine Unfähigkeit, impulshaftes Verhalten zu kontrollieren. (…)“ (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, online im Internet). Nach ICD 10 wäre die korrekte Bezeichnung des in dieser Arbeit häufig verwendeten Begriffs Borderline-Persönlichkeitsstörung emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline- Typ. Aus ökonomischen Gründen wird darauf aber verzichtet.

Haupt et al. definieren die BPS als Störung, die sich im Grenzbereich zwischen Psychose, Neurose und Persönlichkeitsstörung befindet. Hierbei handelt es sich um einen in den 60er Jahren entstandenen Begriff, der es ermöglichte, jene Patienten einzuordnen, die keiner der drei genannten Kategorien entsprachen (vgl. Haupt/ Jochheim/ Remschmidt/ Hess/ Voss/ Lanfermann 1993, S. 304).

Andere Autoren sagen, dass es „(…) Menschen [gibt], die (…) Grenzgänger (borderline) [sind]“ (Dörner/ Plog 1996, S. 304). Vor dem Hintergrund dieser Definition wird von einer Neurose auf der einen Seite des Grenzlandes und einer Psychose auf der anderen Seite ausgegangen.

„Von Menschen, die Grenzgänger sind, wird gesagt, sie könnten Entspannung, Harmonie, Nähe nicht aushalten, gleichzeitig sind sie auf der Suche. Wenn die Gefahr von Nähe für sie entsteht, stoßen sie sich ab und schaukeln sich weg, in ein anderes Grenzland- bis wiederum die Gefahr von Nähe entsteht“ (a.a.O.). Dulz bedauert, dass der ursprüngliche Begriff „borderland“ von dem heutigen „borderline“ abgelöst wurde, „(…) denn es ist doch eher von einem strukturell homogenen, aber deskriptiv breiten Bereich als von einer Länge ohne jede Breite auszugehen“ (vgl. Dulz in: Kernberg/Dulz/Sachsse 2001, S. 66).

Ätiologie / Entstehung

Die möglichen Faktoren, die zur Entstehung der BPS beitragen, sollten jedem Sozialarbeitenden gegenwärtig sein, damit es im KlientInnenkontakt nicht zu Störungen oder Fehlhandlungen kommt. Auf die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten wird in Punkt 3 detaillierter eingegangen.

„Die Borderline- Persönlichkeitsstörung ist eine mehrfaktoriell verursachte Erkrankung (Entwicklungsfaktoren, traumatisierende Erfahrungen, Scheitern bei unsicher- ambivalenten Beziehungsmustern, ungünstige Lösungsmuster), ihr Ausbruch steht im Zusammenhang mit stressreichen Lebensereignissen“ (Rahn 2003, S. 36). Neben einer fehlerhaften Bindungserfahrung kann es durch traumatisierende Erlebnisse, die vermehrt von Borderline- Erkrankten genannt werden, eher zu einer BPS kommen. Hier wird dann nach Rahn von „(…) einer Art der posttraumatischen Belastungsstörung [(PTBS) gesprochen]“ (ebd., S. 34).

Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung vom Borderline- Typ sieht der Autor als einen eng verbundenen, vom Betrachter definierten Grat der Begriffsbestimmung. „Merkmale und Eigenschaften werden aus Verhalten geschlossen und bilden die Persönlichkeit eines Menschen. Eine Persönlichkeitsstörung entsteht dann, wenn diese Eigenschaften zu Spannungen mit der Umgebung führen. Die Persönlichkeit eines Menschen ist im Laufe der Zeit vielfältigen Veränderungen und Entwicklungen unterworfen“ (ebd., S.25).

Die Wirkung auf die Umwelt wird von Rahn hervorgehoben. Der Autor weist darauf hin, dass der Mensch permanenten, kontextabhängigen Bewertungen unterworfen ist. Einerseits kann eine bestimmte Eigenschaft dazu führen, sich der Umgebung anzupassen und andererseits kann diese Form der Anpassung zu Konflikten führen. So kann z.B. die Charaktereigenschaft „Zuverlässigkeit“ auch als „Zwanghaftigkeit“ verstanden werden (vgl. ebd., S. 17). Rahn meint, dass für die Disposition der BPS Anlage und Entwicklungsfaktoren verantwortlich sind (ebd., S.33). Erst durch ein sog. life event (mit „life event“ ist ein belastendes, das Leben verändernde Lebensereignis, z.B. der Tod eines nahe stehenden Menschen, Scheidung, Geburt eines Kindes, Arbeitsplatzverlust oder ein Unfall gemeint) werden sie ausgelöst.

Nach der Analyse verschiedener Studien kommt Paris zu dem Ergebnis, dass es einen Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch in der Kindheit und der Entstehung einer BPS gibt. So berichten ca. 70% der befragten Borderline- PatientInnen über Missbrauchserfahrungen in der Kindheit. Häufig kommen KlientInnen nicht oder mit anderen Erkrankungen in die Behandlung, wie z.B. mit posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder Suchterkrankungen (vgl. Paris in: Kernberg/ Dulz/ Sachsse 2001, S. 159ff.). Die Krankengeschichte der KlientInnen zu kennen ist, für die Begegnung mit ihnen und die Wahl der Methoden, von besonderer Bedeutung. So kann eine Entspannungsübung für den Einen das richtige sein, während der Andere dabei in dissoziative Zustände gerät.

Kernberg geht bei der Entstehung der BPS von frühen oralen Traumata aus, die er zeitlich nicht näher einordnet. Er unterscheidet in „(…) befriedigende, belohnende und lustvolle Affekte“, die sich in der Libido zeigen. Im Hinblick auf die Entstehung einer BPS schreibt der Autor den „(…) schmerzhaft[en], unlustvoll[en] und negativ[en] Affekten“ große Bedeutung zu. Diese münden wiederum in Aggression, die als eine Enttäuschung der Triebe verstanden werden. Dieser Konflikt ist von einem Kind im ersten Lebensjahr nicht zu bewältigen. Es stellt sich ein Gefühl des Versagens ein, das Kernberg als Basis von Hass und Neid beschreibt. Diese beiden bilden die Hauptaffekte von schweren Persönlichkeitsstörungen (vgl. Kernberg in: Kernberg/ Dulz/ Sachsse 2001, S. 47ff.).

Symptome

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der BPS um eine multifaktorielle Erkrankung. Nach Kernberg wird der Symptomkomplex charakterisiert durch „(…) schwere Verzerrungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen (…), ein[en] Mangel hinsichtlich der Fähigkeit, konstant an einem beruflichen Ziel festzuhalten, eine Unsicherheit und Richtungslosigkeit in vielen Lebensbereichen sowie ein unterschiedliches Ausmaß an Pathologie (…) [im] Sexualleben“ (Kernberg in: Kernberg/ Dulz/ Sachsse 2001, S. 52). Auch Lohmer sieht den Schwerpunkt der Symptome der BPS in der Dysfunktionalität von Beziehungen. Der Autor beschreibt diese Funktionsstörung als „(…) eine grundsätzliche Schwierigkeit (…), Verbundenheit mit einem Objekt zu erleben, zuzulassen und zu bewahren“ (Lohmer 2005, S. 41f.). Neben den Ängsten vor dem Verlassenwerden sieht er auch solche vor Veränderungen.

Bei Lohmer ist das Leitsymptom die Angst, aus der die Aggressionen resultieren. Das unterscheidet ihn von verschiedenen anderen Autoren, wie Kernberg et al., die in den Aggressionen das Hauptsymptom sehen. Ferner postuliert Lohmer, dass es häufig zu einer starken Ambivalenz zwischen „Stärke und Verletzlichkeit“ komme. Diese äußere sich u.a. in Defiziten bei der „Lebensbewältigung“ (vgl. ebd.). Solche Defizite können sich in alltäglichen Verrichtungen, wie beispielsweise der Bearbeitung der eingehenden Post, bemerkbar machen. Hierbei kann es zu Überforderungen kommen und der Klient vernachlässigt diese Arbeiten. Das Resultat ist wiederum eine Hilfebedürftigkeit, die sich der Betroffene erst eingestehen muss.

Rahn beschreibt, dass die BPS in den zwischenmenschlichen Beziehungen eines Betroffenen in „charakteristischer Weise“ Ausdruck findet. Er spricht von sozialer Kompetenz, „(…) wenn es gelingt, eigene Bedürfnisse mit denen anderer Menschen in Einklang zu bringen“ (Rahn 2003, S. 29 f.). Bedürfnisse sind die Grundlage jeder Kommunikation. Durch den Austausch von sachlichen Informationen, Stimmungen aber auch Orientierungen wird der gewünschte Ausgleich zwischen verschiedenen Bedürfnissen geschaffen. Dafür bedarf es aber der Fähigkeit, den Standpunkt des anderen zu verstehen, um dann die eigene Position entwickeln zu können. Bei Menschen mit einer BPS stellt sich das problematisch dar. Rahn vermutet hier die größten Schwierigkeiten, bedingt durch „(…) die starke Affektabhängigkeit und die Tendenz zu einseitigen Bewertungen (Schwarz-Weiß-Denken)“ (a.a.O.).

Stone setzt eine Erfüllung der Kriterien der BPS nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) (DSM IV) voraus, um überhaupt von einer BPS sprechen zu können (vgl. Stone in: Kernberg/ Dulz/ Sachsse 2001, S. 3ff.). Da die Kriterien nach DSM IV denen der im ICD 10 entsprechen, wird sich im Verlauf nur darauf bezogen.

Nach ICD 10 ist die BPS gekennzeichnet durch emotionale Instabilität. Prioritäten und Ziele können nicht eindeutig zugeordnet werden. Ein Gefühl der inneren Leere wird häufig begleitet von intensiven, aber wechselhaften Beziehungen. Es besteht eine Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit para-suizidalen Handlungen und Suizidversuchen (vgl. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, online im Internet). Damit von einer BPS gesprochen werden kann, müssen nach ICD 10 fünf oder mehr der folgenden Kriterien auf die Person zutreffen:

„1. Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden. (…)

2. Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der  Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.

3. Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung.

4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen. (…)

5. Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.

6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung. (…)

7. Chronische Gefühle von Leere.

8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, Wut oder Ärger zu kontrollieren. (…)

9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome“
 (Linehan 1996 a, S. 7).

Wenn eine KlientIn mit einer diagnostisch gesicherten BPS beispielsweise in eine Psychosoziale Beratungsstelle kommt, muss damit gerechnet werden, dass einige der oben genannten Kriterien im Beratungsprozess zum Tragen kommen. Verfügt die BeraterIn über das Wissen der oben genannten Kriterien, ist sie nicht unvorbereitet und kann entsprechend reagieren.

Komorbiditäten / Begleiterkrankungen

Dulz fasst diverse Untersuchungen zu den Komorbiditäten der BPS zusammen. Er kommt zu dem Schluss, dass es selten eine reine BPS gibt. Der Autor betont, dass auch andere Persönlichkeitsstörungen selten isoliert vertreten sind. Meistens sind auch hier Symptome anderer Persönlichkeitsstörungen (depressive, schizoide, antisoziale o.ä. Symptomatik) zu erkennen (vgl. Dulz in: Kernberg/ Dulz/ Sachsse 2001, S. 62). Rahn geht von drei expliziten Komorbiditäten aus. Er stellt die Suchterkrankung, in Abgrenzung dazu die Essstörungen sowie die Minderbegabung dar (vgl. Rahn 2003, S. 72f.).

Die Komorbiditäten als solche zu kennen und einschätzen zu können, dient dem ganzheitlichen Blick auf die KlientInnen und deren Problemlagen. Hier ist es wichtig, jede KlientIn als Individuum wahrzunehmen und nicht als eine Erkrankte unter vielen.

Prognose

Die Symptome einer BPS werden im Lebensverlauf schwächer, wenn die Möglichkeiten einer angemessenen Therapie, Aufarbeitung und Nachbehandlung zu einer Stabilisierung genutzt werden (vgl. Allpsych, online im Internet).

„Prognosis is difficult to assess. While the disorder is chronic in nature, gradual improvements with work are definitely seen. While it is difficult for anyone to change major aspects of their personality, the symptoms of this disorder can be reduced in both number and intensity. Long term treatment is almost always required” (a.a.O).

 

 

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